In einer Stadt, die wie Berlin dem stetigen Wandel unterliegt, ist der Name Tino Schwierzina sicher vielen nicht mehr präsent. Am 2. Juni 2014 wird in Weißensee eine Straße nach ihm benannt und eine von zehn Berliner Straßen verschwindet damit aus den Stadtplänen, jene, die den Steinberg mit der Romain-Rolland-Straße verbindet.
Auch ich habe Tino Schwierzina nicht mehr
persönlich erlebt. Am 29. Dezember 2003 ist er gestorben. Einige Monate zuvor war ich erstmals als Mitglied zu einer Abteilungsversammlung der SPD Weißensee-City gegangen, deren Mitglied auch Tino Schwierzina war.
Am 30. Mai 1927 in Oberschlesien geboren, wurde Tino Schwierzina 1933 in Magdeburg eingeschult. Die Kindheit
war geprägt durch den Zweiten Weltkrieg, zu dem er als Jugendlicher als letztes Aufgebot mit eingezogen wurde und 1945 in eine dreijährige amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. 1948 zurückgekehrt, nahm er Jurastudium auf und wurde ab 1952 als Justiziar tätig. Der DDR stand er kritisch gegenüber, 1963 erhielt er wegen „Beihilfe zur Republikflucht“ eine Bewährungsstrafe.
Früh machten sich bei Tino Schwierzina gesundheitliche Probleme bemerkbar. Sein Herz war schwach, was ihn auch im Beruf eingeschränkte. Bis 1989 blieb er als Justiziar für DDR-Außenhandelsbetriebe tätig.
In der Wendezeit begann Tino Schwierzina für Politik zu brennen. Er wollte helfen, die Demokratie im Osten Berlins mit aufzubauen und begann, sich bei den ostdeutschen Sozialdemokraten zu engagieren, ohne allzu große Rücksicht auf seine Gesundheit zu nehmen. Bei seinen Parteifreunden genoss er ebenso großes Vertrauen, wie bei den politischen Gegnern. Anfang Mai 1990 wählten ihn die Bürgeri
nnen und Bürger Ost-Berlins in die Stadtverordnetenversammlung, bei den einzigen freien Wahlen der DDR-Geschichte. Eine Große Koalition aus zehn Sozial- und fünf Christdemokraten führte den Magistrat.
Die Aufgaben, die vor Tino Schwierzina standen, waren mannigfach – aber insgesamt auf einen klaren Zeitraum begrenzt. Die Wiedervereinigung war bereits beschlossen, die Endlichkeit der Amtszeit früh klar. Gemeinsam mit seinem West-Berliner Amtskollegen Walter Momper arbeite er daran, dass die Wiedervereinigung Berlins möglichst reibungslos funktioniert. In gemeinsamen Sitzungen von Senat und Magistrat, als „Magi-Senat“ bekannt geworden, wurde sie erfolgreich vorbereitet. Von der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 bis zur ersten Wahl im gesamten Berlin am 2. Dezemb
er 1990 amtierten Senat und Magistrat als gemeinsame Landesregierung. Im Januar 1991 trat Tino Schwierzina zurück, um den Weg für eine neue Landesregierung freizumachen, eine Große Koalition unter Führung von Eberhard Diepgen übernahm.
In seiner Amtszeit hat sich Tino Schwierzina große Sympathien in der Bevölkerung erworben, galt als nah- und ansprechbar. Das Abgeordnetenhaus, dem er nun – in Weißensee direkt gewählt – angehörte, wählte ihn zu einem seiner Vizepräsidenten. Vier Jahre später, die SPD hatte ein besonders schlechtes Wahlergebnis eingefahren, schied er aus dem Parlament aus und zog sich aus der Politik nach und nach ins Private zurück.
Trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen engagierte er sich politisch stark und oft bis an körperliche Grenzen. Das Ziel, Ost-Berlin in die Demokratie zu führen, trieb ihn an.
Die SPD Weißensee-City, die AG 60plus und auch viele Pankowerinnen und Pankower haben sich in den letzten zehn Jahren dafür engagiert, Tino Schwierzina, der auch die Würde eines Stadtältesten hatte, durch die Benennung einer Straße oder eines Platzes zu ehren. 2013 hat das Bezirksamt diesem Wunsch entsprochen. Ab dem 2. Juni 2014 heißt die Berliner Straße in Weißensee nun nach Tino Schwierzina, wenige Tage nach seinem 87. Geburtstag.
Einer auf den man stolz sein kann – als Berlinerin und Berliner, als Sozialdemokratin und Sozialdemokrat.
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