Am Ende eine Frage der Gerechtigkeit: Warum Berlin die Verbeamtung von Lehrkräften wieder ermöglichen sollte

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Müssen Lehrerinnen und Lehrer eigentlich Beamte sein? Das war in den frühen Neunzigern eine der ersten Fragen, die mich, damals als Mitglied im Stadtschülerparlament und der eigenen Schulkonferenz aktiv, beschäftigt hat. Und die Antwort, die ich heute als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses gebe, unterscheidet sich nicht von der des 13jährigen Schülervertreters: Nein, sie müssen es nicht. Schülerinnen und Schülern nach festgelegten Rahmenlehrplänen Wissen zu vermitteln, ist keine hoheitliche Aufgabe, die zwingend die Verbeamtung erfordern würde.

1998 bin ich in die SPD eingetreten, ich habe mich in unterschiedlichen Bundesländern engagiert und die klare Mehrheitsmeinung in eigentlich allen SPD-  Landesverbänden war immer: nein, Lehrerinnen und Lehrer müssen nicht verbeamtet sein.

Natürlich gab es dafür auch immer „harte“ Gründe. Fiskalische Gründe, denn ein Teil der Pensionslasten wird auf die künftige Generation abgewälzt. Personelle Gründe, denn ein Beamtenverhältnis zu beenden ist noch viel schwieriger, als eines im öffentlichen Dienst. Der Krankenstand bei den beamteten Lehrerinnen und Lehrern ist zudem deutlich höher als bei ihren nicht verbeamteten Kolleginnen und Kollegen, der Staat – nicht die Krankenkassen – zahlt den Lohn fort.

Für die Verbeamtung spricht dagegen, dass Beamte in einem unbedingten Loyalitätsverhältnis zu ihrem Arbeitgeber stehen. Deshalb dürfen sie nicht streiken. Auch die Personalsteuerung ist leichter.

In unterschiedlicher Intensität haben sich die Bundesländer in den letzten Jahrzehnten bemüht, den Anteil der verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer abzusenken. In allem Bundesländern sind an den Schulen heute sowohl Beamte als auch im öffentlichen Dienst Beschäftigte als Lehrkräfte tätig. Die Qualität des Unterrichts ist dabei nicht vom Status der Lehrerinnen und Lehrer abhängig.

Das Pro und das Contra zur Verbeamtung ist nicht einmal von den politischen Farben abhängig. Sachsen und Thüringen haben die Verbeamtung unter konservativ geführten Landesregierungen abgeschafft, Mecklenburg-Vorpommern unter Führung der SPD. Allen gemein ist allerdings: sie sind – unter drei unterschiedlichen Regierungskonstellationen, darunter in Thüringen unter Führung der Partei Die Linke – inzwischen zur Verbeamtung zurück gekehrt.

Als Sozialdemokrat muss ich konstatieren: obwohl die SPD seit meiner Schulzeit in 15 der 16 Bundesländer mindestens einmal Regierungsverantwortung hatte, verbeamten heute 15 der 16 Länder ihre Lehrerinnen und Lehrer. Sie tun es schlichtweg aus Notwehr, denn Lehrerin und Lehrer ist ein Mangelberuf geworden. Auch wenn es für mich der richtige Weg wäre, gar nicht mehr zu verbeamten: ein solcher Weg wäre nur in einem bundesweiten Konsens denkbar – dieser ist derzeit nicht in Sicht. Und so muss man vielleicht anerkennen, dass nicht 15 Länder als „Geisterfahrer“ unterwegs sind, sondern man selbst auf der falschen Spur unterwegs ist.

Deshalb spreche ich mich dafür aus, auch in Berlin wieder Lehrerinnen und Lehrern, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, den Weg zur Verbeamtung zu ermöglichen. Das ist für mich auch eine Frage der Gerechtigkeit:

  • Es ist nicht gerecht, dass jede Lehrerin, jeder Lehrer, der sich in einem der fünfzehn anderen Bundesländer verbeamten lässt, nach fünf Jahren zurück ins Berliner System kommen kann.
  • Es ist nicht gerecht, dass Lehrerinnen und Lehrer, die unter großen Herausforderungen in sozialen Brennpunkten Berlins arbeiten, im Laufe eines Berufslebens dann eben doch deutlich weniger Geld bzw. Altersbezüge erhalten, als verbeamtete Kolleginnen und Kollegen.

Verbeamtung muss eine von zwei Optionen sein. Sie wird nicht alle Probleme lösen, denn auch in Bundesländern, die durchgängig verbeamtet haben, fehlen heute Lehrkräfte. Sie wird auch keine Lösung für alle Lehrkräfte sein können, denn nicht alle erfüllen die Voraussetzungen. Wie in allen anderen Bundesländern muss das Lehren auch ohne Beamtenstatus eine attraktive Option sein und bleiben.

Wer den Vorteil des Beamtentums annimmt, muss aber auch geben können. In unseren Sonntagsreden sagen wir immer „die besten Lehrkräfte müssen an die schwierigsten Schulen.“ Die Realität sind aber anders aus. Mit der neuen beamteten Lehrkräften im System muss es uns gelingen, die Steuerung der Fachkräfte zu verbessern und hervorragende Lehrerinnen und Lehrer an Schulen zu bringen, die den Turnaround zu nachgefragten Bildungseinrichtungen noch nicht geschafft haben. Wer den Vorteil des Beamtentums nimmt, muss in jedem sozialen Umfeld seine Leistung unter Beweis stellen können.

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