Rede vom 3. Juli 2014 in der 51. Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses
Quelle: RBB online
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen – besonders auch der Opposition,
sie versuchen hier und vor allem auch in den Medien einen Druck in die Debatte zu bringen, der Sie entlarvt!
Würde der Senat hier heute ein fertiges Konzept vorlegen, dann würden Sie laut rufen: Wo bleibt denn die Beteiligung.
Und wenn wir hier nun sagen, wir wollen Beteiligung, dann rufen Sie laut: Wo ist denn das Konzept. Beteiligung bedeutet eben, gemeinsam ein Konzept erarbeiten.
Ich möchte zwei Vorbemerkungen machen und ich möchte eine sachliche Debatte über Thema führen, das eine Chance für diese Stadt sein kann.
Erste Bemerkung:
Ich hoffe, dass wenigstens in einem Punkt Einigkeit in diesem Haus besteht. Unsere Stadt Berlin kann sportliche Großereignisse ausrichten! Wir beweisen das seit Jahrzehnten vielfach: Fußball-WM, Leichtathletik-WM, Pokalfinale, Marathon, Weltmeisterschaften dutzendfach. Diese Stadt ist sportbegeistert, diese Stadt hat eine großartige Infrastruktur, diese Stadt ist attraktiv wie nie zuvor für Besucherinnen und Besucher. Und ich glaube, niemand zweifelt an, dass Berlin auch Olympische und Paralympische Spiele ausrichten könnte.
Zweite Bemerkung:
Sie erwecken den Eindruck, es würde einen großen Zeitdruck geben. Das ist mitnichten so. Der Deutsche Sport hat noch nicht einmal entschieden, ob es eine Deutsche Bewerbung um Olympische Sommerspiele 2024 geben soll. Was im Moment vom DOSB mit diesem Fragenkatalog abgefordert wird, ist nichts anderes als eine Interessenbekundung. Und ich glaube, die deutsche Hauptstadt, die Sportmetropole Berlin, sollte schon grundsätzlich offen sein, wenn es eine Chance gibt, das größte Sportereignis der Welt hier stattfinden zu lassen.
Im Dezember diesen Jahren wird die Mitgliederversammlung des DOSB erst entscheiden, ob man eine Olympiabewerbung versuchen will – und zwar entweder mit der Stadt Hamburg oder Berlin. Und auch die Frage, ob es eine Bewerbung für 2024 geben soll oder auch erst für 2028.
Eine Bewerbung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch das noch lang nicht. Die Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee muss bis Anfang 2017 erfolgen. Das ist der Zeitrahmen, in dem wir eine ausführliche Diskussion führen können und ich betone: Führen wollen und führen werden!
Olympische und Paralympische Spiele in Berlin sind nicht gegen den Willen der Bevölkerung zu machen. Und deswegen sage ich: Es muss einen Zeitpunkt geben, zu dem wir die Berlinerinnen und Berliner fragen – und wir müssen uns dazu einen Weg überlegen.
Aber: Wir müssen zuerst das Gespräch mit der Stadtgesellschaft über Chancen und Risiken einer Olympiabewerbung suchen und gemeinsam ein Konzept entwickeln, ich könnte auch sagen: Gemeinsam ein Angebot an das Internationale Olympische Komitee formulieren.
Lassen Sie mich fünf Punkte ansprechen, die ein solches Angebot aus meiner Sicht zwingend enthalten muss:
- Wir wollen eine beteiligungsorientierte Bewerbung. Wir entwickeln diese gemeinsam mit der Zivilgesellschaft. Wir setzen auf den Rat von Expertinnen und Experten, wir wollen verschiedene Optionen kennen und so gemeinsam ein Konzept entwickeln, dass dann die Zustimmung der Berlinerinnen und Berliner findet. Nur das wäre eine echte Bürgerolympiade!
- Wir wollen einen transparent gestalteten Bewerbungsprozess, das gilt auch für die Kosten einer Bewerbung, die Berlin ja auch nicht allein stemmen muss – denn es geht hier ja um eine Veranstaltung des IOC und Deutsche Olympische Spiele. Zur Transparenz gehört aber auch, dass Reformen beim IOC deutlich werden.
Das Motto von Olympia muss weiter heißen: schneller, höher, weiter.
Aber mit immer größer, immer teurer, immer gigantischer muss Schluss sein.
- Wir wollen nachhaltige olympische und paralympische Spiele. Berlin hat bereits die meiste sportliche Infrastruktur und diese wird hier auch genutzt von Schulen, von Vereinen, von Individualsportlern. Investitionen in die Infrastruktur zahlen sich also in jedem Fall aus, weil diese den Berlinerinnen und Berlinern in einer wachsenden Stadt auch weiterhin zur Verfügung steht. Und zur Nachhaltigkeit gehört auch dazu, dass durch Olympische Spiele und sportliche Vorbilder Kinder und Jugendliche zum Sporttreiben animiert werden,
Wir wollen, dass sich ein olympisches Dorf mit seinen mehr als 20.000 Wohnungen sinnvoll in die Stadt einfügt. Und ich glaube, in diesem Saal ist niemand, der nicht glaubt, dass wir diese kleineren und barrierefreien Wohnungen nicht gut in Berlin brauchen könnten.
Wir können die Spiele dafür nutzen, dort wo es nötig ist, die Verkehrsinfrastruktur zu verbessern und Investitionen z.B. in das Radwegenetz und den ÖPNV vornehmen.
Und eine Bewerbung für die Paralympics würde uns dabei helfen, Berlin zur Hauptstadt der Barrierefreiheit zu machen.
- Wir wollen bescheidenere Spiele. In Berlin müsste kein neues Olympiastadion gebaut werden, es müssten keine zusätzlichen Hotelkapazitäten geschaffen werden. Und wir wollen geeignete Sportanlagen im Umland mit einbeziehen.
- Olympische Spiele müssen solide finanziert sein. Und das ist natürlich nicht allein die Aufgabe des Landes Berlin. Ich rate dazu, sich sehr genau anzuschauen, wie die Finanzierung für London 2012 funktioniert hat. Und es gibt Studien, dass Olympische Spiele der Neuzeit für alle Bewerberstädte einen großen Nutzen hatten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie uns doch versuchen, das Thema Olympische und Paralympische Spiele gemeinsam weiter zu diskutieren, zu entwickeln und dann beizeiten auch zu entscheiden, es zu versuchen – oder auch zu lassen, wenn wir zu dem Schluss kommen, dass ein tragfähiges Bewerbungskonzept nicht umsetzbar ist.
Aber wer sich von vornherein aus dem Spiel nimmt, der darf sich dann auch nicht beschweren, dass sportliche Großereignisse immer häufiger in Staaten vergeben werden, wo sie dann auch durchgeführt werden, aber mit Sicherheit nicht nachhaltig und nicht beteiligungsorientiert.
Und dann habe ich noch eine Bitte:
Hören Sie bitte auf, das Thema Olympia 2024 oder 2028 zu nutzen, um diese Stadt schlecht zu reden. Das glaubt Ihnen doch in einer Stadt, die jährlich bis zu 50.000 neue Bewohnerinnen anzieht und in die Millionen und Abermillionen Besucherinnen und Besucher gern kommen und gern wieder kommen ohnehin niemand.
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