Gedanken eines Elfmeterphilosophen
Es gibt Momente in der Geschichte, da zeigt sich die wahre Größe unserer Republik nicht im Bundestag, sondern auf dem Punkt. Elf Meter entfernt vom Tor, elf Schritte zur Gerechtigkeit. Die Rede ist natürlich vom Elfmeterschießen – jener zivilisatorische Meilenstein im internationalen Fußballsport, der 1970 endlich das absurde Losverfahren ablösen sollte. Und ich frage Sie: Was ist demokratischer als ein gut gezielter Schuss ins Eck?
Als Sportpolitiker frage ich mich bis heute, warum nicht Karl Wald, jener hessische Schiedsrichter, der sich das Elfmeterschießen ausgedacht hat, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde – mindestens! Der Mann hat den Fußball aus den Klauen des Zufalls befreit und ihn dem Willen des Stärkeren überantwortet – oder zumindest dem mit den besseren Nerven.
Denn stellen Sie sich vor: Vor 1970 entschied manchmal eine Münze über das Weiterkommen bei Weltmeisterschaften. Eine Münze! Ich meine – da kann man ja gleich den Bundestagspräsidenten per Glückskeks bestimmen (obwohl ich persönlich auf meinem Keks immer “Sie werden wiedergewählt” stehen habe – man darf ja träumen).
Doch zurück zum Punkt. Das Elfmeterschießen ist wie der Koalitionsvertrag unter den sportlichen Entscheidungen: Alle haben Angst davor, niemand ist so richtig dafür – aber am Ende muss man eben durch. Und genau wie in der Politik offenbart sich beim Elfmeter nicht nur Technik, sondern Charakter: Wer zögert, scheitert. Wer zu früh schießt, riskiert das Peinlichkeits-Tor des Monats. Und wer, wie ich, beim Fußball nie einen Elfer verwandelt hat, lernt Demut – eine Tugend, die in der Politik ohnehin zu selten vorkommt.
Man sagt, beim Elfmeterschießen entscheidet sich alles auf engstem Raum: zwischen Torwart, Schütze und dem eigenen Puls, der plötzlich lauter ist als die Südtribüne. Es ist also ein Mikrokosmos der Demokratie: Jeder hat die gleiche Chance – aber nicht jeder nutzt sie.
In diesem Sinne danke ich Karl Wald, dem wahren Helden des hessischen Fußballs, dafür, dass er mit dem Elfmeter nicht nur eine sportliche Lösung schuf, sondern einen Beitrag zur fairen Entscheidungsfindung geleistet hat. Vielleicht sollten wir in der Politik öfter mal auf den Punkt kommen.
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