Einen Tag vor dem Jahrestag der Reichsprogromnacht möchten wir einem Menschen etwas mehr Aufmerksamkeit widmen:
Wilhelm Krützfeld wurde am 09. Dezember 1880 in Horndorf geboren und war beruflich zunächst ein ganz normaler Polizeibeamter, der sich durch preußische Tugenden und einen ausgeprägten Sinn für Recht und Ordnung auszeichnete. Anders als viele seiner Kollegen ließ er sich jedoch nicht dazu verleiten, während der NS-Herrschaft gegen Menschen vorzugehen, die als „unwertes Leben“ diffamiert wurden.
Im Jahr 1938, während der sogenannten Reichspogromnacht, schauten die meisten Polizeibeamten tatenlos zu oder beteiligten sich aktiv an den Übergriffen, als SA-Mitglieder landesweit Synagogen in Brand steckten und jüdische Geschäfte verwüsteten. Krützfeld war damals Leiter der Polizeiwache 16 am Hackeschen Markt, die auch für die Neue Synagoge zuständig war, ein beeindruckendes Bauwerk, das 1866 eröffnet worden war. Während der pogromartigen Ausschreitungen entschied er sich, nicht wegzuschauen.
Mit einer Handvoll Beamter stellte er sich den SA-Männern entgegen, die das Feuer gelegt hatten, und zwang sie unter Vorhalt seiner Dienstwaffe zum Rückzug. Er hatte zudem ein Dokument dabei, das den besonderen Schutz der Synagoge bekräftigte. Durch sein Eingreifen konnte die Feuerwehr alarmiert werden, die den Brand löschte. Diese mutige Handlung war zu jener Zeit ein skandalöses Vergehen gegen die verbreitete Gewalt des nationalsozialistischen Regimes.
Krützfelds Engagement endete jedoch nicht mit der Rettung der Synagoge. Ein junger Schüler namens Hans Hirschberg erinnerte sich an den Besuch des Polizeibeamten bei seiner jüdischen Familie. Krützfeld beruhigte den besorgten Vater und versprach, ihn rechtzeitig zu informieren, sollte es zu Verhaftungen kommen. Solche Warnungen erhielt auch eine Reihe anderer Juden in seinem Revier.
Im Nachhinein wird Krützfeld nicht als klassischer Held des Widerstands gefeiert, sondern als preußischer Beamter, der im Alltag dem Wahnsinn des NS-Regimes die Stirn bot. Trotz der Berichterstattung über sein mutiges Verhalten am 9. November wurde er nicht verhaftet oder entlassen. Stattdessen wurde er 1940 in ein anderes Polizeirevier versetzt und trat drei Jahre später in den Ruhestand.
Wilhelm Krützfeld diente 36 Jahre lang in der Polizei. Nach seinem Austritt aus dem kaiserlichen Heer 1907 begann er seine Laufbahn im Polizeidienst und war unter anderem im Landespolizeiamt und im Polizeipräsidium tätig, bevor er in den 1930er Jahren die Polizeiwache 65 in Prenzlauer Berg und schließlich die Wache 16 übernahm.
Das heutige Wissen über seine Taten verdanken wir dem Journalisten und Schriftsteller Heinz Knobloch, der Krützfeld in seinem Werk „Der beherzte Reviervorsteher“ ein Denkmal setzte. Wilhelm Krützfeld verstarb am 31. Oktober 1953 in Berlin. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Friedhof III der Georgen-Parochialgemeinde in Weißensee, und eine Gedenktafel an der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße erinnert an seinen mutigen Einsatz.
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